1596 wurde der in Wasungen geborene Melchior Vulpius als Kantor, Musik- und Lateinlehrer an die Stadtschule und Stadtkirche St. Peter und Paul nach Weimar berufen. Damit war er ranghöchster Kirchenmusiker im ernestinischen Sachsen, und man hegte entsprechend hohe Erwartungen an ihn, die er auch erfüllte. Er schuf innerhalb von nur wenigen Jahren ein beachtliches Repertoire, das er ab 1602 veröffentlichte: Fortan gab er beinahe jedes Jahr bis zu seinem frühen Tod 1615 mit ca. 45 Jahren eine neue Sammlung heraus.
Viele dieser Bände fanden Eingang in den Bestand der Kantoreibibliothek im sächsischen Städtchen Waldheim und blieben dort über die Jahrhunderte hinweg erhalten. Seit 2002 wird dieses musikalische Erbe erforscht und schrittweise der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Der Waldheimer Kantor René Michael Röder und die von ihm geleitete Capella Daleminzia realisieren nun eine Gesamteinspielung der Werke von Melchior Vulpius.
Teil 2 der Melchior-Vulpius-Edition enthält die acht- bis dreizehnstimmigen Motetten aus dem 1602 erschienenen ersten Teil der Cantiones Sacrae und vollendet damit die Einspielung von Vulpius’ frühester publizierter Sammlung. Eine strukturelle Besonderheit bietet dabei die vierchörige neunstimmige Motette „Surrexit pastor bonus“ für die Mette am Ostermontag: Die Chöre 2 bis 4 kontrastieren den von Chor 1 intonierten lateinischen Text mit deutschsprachigen Osterliedern, wobei die Chöre möglichst in quadrophonischer Weise positioniert werden sollen.