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Das Oratorium Laudate Ninive entstand 1982 bis 1983 in Leipzig im Auftrag der Evangelischen Landeskirche Hannover für den 20. Deutschen Kirchentag. Die Uraufführung fand im Sendesaal des Norddeutschen Rundfunks statt. Zur Uraufführung schrieb der Komponist 1983: „Die Welt steht am Rande der Katastrophe. Viele meinen diese bedrohliche Situationen hinnehmen zu müssen, nichts dagegen tun zu können. Es gibt Beispiele aus dem Alten Testament, daß Gott Vernichtung von Städten, Ländern, ja sogar der Erde (Sintflut) zuließ ... . Aber es gibt auch Beispiele, daß Gott angekündigten Untergang zurücknahm: weil die Menschen ihr Unrecht erkannten und freiwillig büßten ... . So könnte es mit Ninive geschehen sein.“
Innerhalb des Gesamtwerkes von Neubert zeichnet sich eine deutliche Tendenz von Kammermusiken und Chören über Orchesterwerke zu großangelegten Vokalkompositionen und musiktheatralischen Werken ab. Nachhaltige Erfolge verzeichnen die Vokalkompositionen der 70er Jahre. Sie sind es auch, die dem Komponisten besonders lange gedankliche Vorarbeiten abverlangten, besorgt er doch die Wahl der Texte selbst und ist um ungetrübte Textverständlichkeit bemüht. Dabei knüpft Neubert ganz bewusst an Hörerfahrungen und musikgeschichtliche Muster an. Die Orchesterlieder Gewaltig wie der Tod entstanden 1975 im Auftrag des Rates des Bezirks Gera. Sie bekennen sich nahezu euphorisch zur Sinnlichkeit und Leidenschaft Mahlerscher Orchesterlieder. Nur so kann der Komponist Überschwang und Pathos der hebräischen Liebesgedichte Frühling, Liebesnacht und Gewaltig wie der Tod (in der Übersetzung von Manfred Hausmann) kurzzeitig brechen und kommentieren. In jeweils nur anderthalb Minuten setzen die orchestralen Interludien ernüchternde Kontraste zur vermeintlichen Spätromantik längst vergangener musikalischer Zeiten, überschrieben mit ausgewählten Zeilen aus Volker Brauns Gedicht Der Notstand. Neubert interessieren die Brüche, musikalisch ebenso wie im Fühlen oder Denken, auf Lebenswegen oder in historischen Prozessen. Mit größter Selbstverständlichkeit stellt Neubert Spaltklang, Chaos-Ordnungs-Prinzip und Serialität neben klangfarbliche Schönheit, traditionsgebundene Form und harmonische Bezüglichkeit.
In dieses gedankliche Konzept passen die geradezu derb-grotesken fünf Gesänge Von menschlichen Schwächen (1984) hinein: Von der Menschen Unruhe, Vom Geiz, Vom Stolz, Vom Saufen und Von der Uneinigkeit. Nichts haben die zu DDR-Zeiten so brisanten Lutherischen Texte heute an Aktualität verloren. Der Orchesterpart unterstreicht den Text nicht durch illustrierende Begleitung, sondern parodiert, hebt einzelne Wörter hervor und setzt eigenständig Neubertsche Schwerpunkte. Diese Art des Umgangs mit Textweist Neubert als einen Schüler Paul Dessaus aus. (Aus dem Einführungstext von Dr. Ulrike Liedtke zur CD.)