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In einer Musikzeitschrift war kurz nach dem Tod von Carl Heinrich Graun im Jahre 1759 zu lesen: „Was Carl Heinrich Graun komponiert hat, bedarf keiner weiteren Empfehlung. Prächtige Chöre, rührende Arien, die den nachdrücklichsten Worten angemessen sind. Wohl ausgearbeitete Fugen, Affekt und Feuer in der Komposition, das Herz angreifende Rezitative.“
Die über 90-minütige Passionskantate „Der Tod Jesu“ geht auf einen lyrisch-meditativen Text von Carl Wilhelm Ramler (1725-1798) zurück und besteht aus 25 kurzen Sätzen. Der Dichter der literarischen Aufklärung bietet mit seiner (nicht nur von Graun vertonten) Poesie eine sehr eigene, humanistische Sicht auf das Passionsgeschehen: Christus steht als Mensch im Mittelpunkt; anders als in der Bachschen Passion wird die Tragödie seiner Leidensgeschichte nicht dramatisch vertieft. Die musikalische Ausführung und rhythmische Gestaltung, insbesondere der Soli, weist für die damalige Zeit sehr moderne, frühklassische Züge auf.
„Der Tod Jesu“ wurde 1755 während der Karwoche in der Berliner Domkirche in „Anwesenheit einer ungewöhnlich zahlreichen Zuhörerschaft“ erstaufgeführt. Der Erfolg war so durchschlagend, dass das Werk zwischen 1798 und 1884 alljährlich allein in Berlin durch die Berliner Singakademie über 40 Aufführungen erlebte. Erst die Wiederentdeckung der Bachschen „Matthäus-Passion“ im 19. Jahrhundert löste die traditionelle Aufführungspraxis von Grauns Passionskantate ab.