Vom Hot Club Leipzig in die Welt
Hatte man während des Nationalsozialismus nichts für HJ und BDM und auch nichts für die in diesen Organisationen gepflegte Musik übrig, so hatte man keinen einfachen Stand – schließlich galten Jazz und andere alternative musikalische Strömungen als „undeutsch“, wenn nicht gar als „entartet“. Trotzdem fanden sich in vielen Städten junge Leute zusammen, die trotz Einschränkungen und Verboten solche Musik nicht nur hörten, sondern auch selbst spielten. In Leipzig sammelten sich solche Jugendlichen im Hot Club, und trotz argwöhnischer Beobachtung durch die Staatsorgane existierte dieser Club über die ganze Zeit des Zweiten Weltkrieges hinweg. Zu ihm gehörte auch die am 4.2.1925 geborene Pianistin Jutta Hipp, die über ihren ersten Freund auf den Jazz und den Hot Club stieß und fortan jede Gelegenheit nutzte, um diese Musik zu hören und selbst zu spielen. Als Studieninhalt wäre diese Vorliebe natürlich nicht realisierbar gewesen, und so entschied sie sich für ein Studium der Bildenden Künste. Letztlich reüssierte sie aber doch als Jazzpianistin, nachdem sie 1946 zunächst in die westlichen Besatzungszonen und 1955 in die USA gegangen war – in den anderthalb Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges zählte sie zur Crème de la Crème der deutschen wie internationalen Jazzwelt. Als ihr musikalischer Stern zu sinken begann, wandte sie sich wieder der Bildenden Kunst zu und spielte fortan keinen Jazz mehr, sondern fotografierte oder zeichnete Jazzmusiker, arbeitete als Designerin und Schneiderin. Mehrere Personalausstellungen zeigten ihre Werke. 2003 starb sie in New York; posthum wurden etliche ihrer Einspielungen neu oder erstmals auf Tonträger veröffentlicht. In Leipzig und in Markkleeberg gibt es je eine nach ihr benannte Straße, den Jutta-Hipp-Weg; zudem wurde zu ihrem 100. Geburtstag eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus in der Windscheidstraße in Leipzig angebracht.
2023 zeigte das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig unter dem Titel „Hakenkreuz und Notenschlüssel“ eine Ausstellung über verschiedene Aspekte des musikalischen Lebens in Leipzig während der nationalsozialistischen Zeit. Das gleichnamige Buch geht über einen reinen Katalogband hinaus und liefert noch zahlreiche Zusatz- und Hintergrundinformationen. Gleich mehrere Beiträge widmen sich Jutta Hipp, dem Hot Club Leipzig und der Jazzwelt in der Messestadt während dieser Periode.