Jonnys Fluch
Mit einem einzigen Werk in die Musikgeschichte einzugehen kann eine Art Fluch sein. Der Name des vor 125 Jahren, am 23.8.1900, geborenen Ernst Krenek ist untrennbar mit der Oper „Jonny spielt auf“ verbunden, einem der Schlüsselwerke der Operngeschichte des 20. Jahrhunderts. Dessen alles überstrahlender Status verstellt aber gern den Blick auf die 241 anderen Werke, die Krenek in seine offizielle Opuszählung aufgenommen hat, wiewohl natürlich, um ein Mitglied der Rockband Mr. Big (die vor einem analogen Problem stand) zu zitieren, der Status als „One Hit Wonder“ immer noch besser als der eines „No Hit Wonders“ ist.
Krenek, damals noch Křenek geschrieben, begann bereits mit 16 Jahren sein Kompositionsstudium in Wien und ging 1920 nach Berlin. In Kassel schrieb er die Oper „Jonny spielt auf“, die schon bei der Uraufführung 1927 in Leipzig einen mittleren Skandal erzeugte und sich nicht zuletzt dadurch rasant verbreitete. Den Nationalsozialisten war seine Musik ein Dorn im Auge, und der schwarze Saxophonist auf dem Cover des Klavierauszuges der Oper landete im Werbematerial für die Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937. Zu diesem Zeitpunkt war Krenek in den USA und blieb nach dem „Anschluss“ Österreichs auch gleich dort. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er zunächst nach Deutschland zurück, verlagerte seinen Lebensmittelpunkt 1966 aber wieder auf den amerikanischen Kontinent, und bis ins hohe Alter – er starb 1991 mit 91 Jahren – blieb er kompositorisch aktiv. In die Kulturgeschichte eingegangen ist Krenek auch als zweiter Ehemann von Gustav Mahlers Tochter Anna. Dem Ansinnen seiner Schwiegermutter Alma, Gustavs 10. Sinfonie zu vollenden, kam er jedoch nicht nach, sondern beschränkte sich darauf, zwei der fünf Sätze in aufführungsreife Form zu bringen.
Den Zugriff auf Ernst Kreneks Werk macht die dort versammelte Stilvielfalt nicht ganz einfach, obwohl es gerade dadurch eine Menge zu entdecken gibt. Aber viele seiner Werke führen heute eher ein Schattendasein, obwohl sich ihre (Wieder-)Entdeckung durchaus lohnt. Zu den vergessenen Perlen gehört auch das 1940 uraufgeführte „Little Concerto“ für Klavier und Orgel mit Kammerorchester op. 88, das erst 1986 im Leipziger Gewandhaus erstmals audiokonserviert wurde. Auf der CD „Orgel und Klavier/Orgel und Orchester“ ist diese Aufnahme neben anderen Raritäten u.a. von Widor, Weber oder Demarest zu hören; es spielen Irmtraut Friedrich (Klavier), Felix Friedrich (Schuke-Orgel im Gewandhaus zu Leipzig) und das Große Rundfunkorchester Leipzig unter Leitung von Horst Neumann.