Die Energie der zweiten Lebenshälfte
Schaut man in die erste Lebenshälfte des vor 200 Jahren, am 04.09.1824, geborenen Anton Bruckner, so hätte wohl niemand vermutet, dass dieser Mann am Ende seines Lebens 1896 und auch noch heute als einer der größten jemals gelebt habenden Sinfoniker gelten würde. Statt dessen kannte und schätzte man den Oberösterreicher lange Zeit als einen der besten und improvisationsfreudigsten Organisten seiner Zeit. Kompositorisch ernsthafter aktiv wurde Bruckner erst in seiner zweiten Lebenshälfte und entfaltete dabei mit immenser Energie eine kreative Urgewalt, die viele seiner Zeitgenossen überforderte, so dass sich seine Sinfonien, die heutzutage als die Glanzpunkte seines Schaffens und Gipfelpunkte der Sinfonik allgemein gelten, erst sehr langsam in der Musikwelt durchzusetzen begannen, in der heimischen österreichischen wie in der internationalen.
Als Bruckners Durchbruch in Deutschland gilt die Uraufführung der 7. Sinfonie E-Dur anno 1884 mit dem Gewandhausorchester unter Arthur Nikisch in Leipzig. Bereits zuvor aber gab es hierzulande weitsichtige Dirigenten, die die Klasse dieser Werke erkannten und sie aufführten. Zu ihnen zählt Felix Mottl, der im Dezember 1881 in Karlsruhe mit der damaligen Großherzoglich Badischen Hofkapelle die 4. Sinfonie Es-Dur zur deutschen Erstaufführung brachte – die erste Aufführung einer Bruckner-Sinfonie in Deutschland überhaupt. Klarer Fall, dass die Badische Staatskapelle, wie der Klangkörper heute heißt, diese Sinfonie in seine aktuelle CD-Edition mit Aufnahmen unter dem derzeitigen Generalmusikdirektor Georg Fritzsch integriert hat und sich auch weiterhin um die Pflege des Brucknerschen Werkes kümmert – diese Sinfonie soll nicht seine einzige in besagter Edition bleiben …