Dichtung und Wahrheit

Mit dem im mitteldeutschen Raum bekannten Adelsgeschlecht derer von Münchhausen, die auf dem Schloss von Windischleuba saßen und mit dem umstrittenen Dichter Börries von Münchhausen 1945 ausstarben, war der 1720 in Bodenwerder im Weserbergland geborene Freiherr Hieronymus von Münchhausen nur weitläufig verwandt – und auch die scheinbare identische oder zumindest vergleichbare kulturelle Stellung als Literaten geht auf einen historischen Irrtum zurück: Hieronymus von Münchhausen veröffentlichte seine abenteuerlichen Geschichten nicht, sondern erzählte sie nur abends am Kamin. In Buchform brachten sie im wesentlichen erst Rudolf Erich Raspe (in Englisch) und dann Gottfried August Bürger (als partielle Rückübersetzung ins Deutsche). Diese Veröffentlichungen fanden im späten 18. Jahrhundert reißenden Absatz und sorgten mit ihrer phantastischen Erzählweise für den Ruf Münchhausen als Lügenbaron, über den der alternde Adlige alles andere als erbaut war.

 

Über die Jahrhunderte hinweg sind zahllose Illustrationen zu Münchhausens vorgeblichen Abenteuern entstanden – vom trinkenden halben Pferd über die Selbstrettung an den eigenen Haaren aus dem Sumpf bis zum Ritt auf der Kanonenkugel. Wer mehr darüber wissen will, dem sei Band 16 der „Göpfersdorfer Kunstblätter“ ans Herz gelegt, in dem Dieter Gleisberg und Günter Lichtenstein unter dem Titel „Ich gestehe, diese Dinge klingen seltsam“ einen hochinteressanten und reich bebilderten Blick in die Geschichte und die Rezeption der Münchhausen-Erzählungen werfen. Und bei aller Phantastik: Dass Hieronymus von Münchhausen am 22. Februar 1797, also vor 225 Jahren, in Bodenwerder starb, nachdem ihn zu allem Überfluss auch noch die Scheidung von seiner 53 Jahre jüngeren zweiten Ehefrau ruiniert hatte, ist zumindest laut aktuellem Forschungsstand keine Dichtung, sondern Wahrheit.

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