Der Multibegabte
Dass Menschen in gleich mehreren Disziplinen internationale Bedeutung, ja Weltgeltung erreichen, kommt nicht allzuoft vor. Zu dieser seltenen Spezies zählt der vor 150 Jahren, am 14.1.1875 im elsässischen Kaysersberg geborene Albert Schweitzer. Schon seine Studienfächer verraten seine vielseitige Interessenlage, ja Multibegabung: Theologie, Philosophie, Medizin und Musik. Er konnte indes bereits seit Gymnasialzeiten auf eine kompetente Ausbildung an der Orgel verweisen und wuchs in eine für die Orgelwelt des Elsasses spannende Zeit hinein, mit einerseits zahlreichen Neubauten beispielsweise in großen Straßburger Kirchen, aber andererseits auch mit ersten Ideen der Wiedergewinnung oder zumindest Wiederbelebung historischer Klangwelten. Letztgenannte mündete schließlich in das, was wir heute unter dem Begriff „Orgelreform“ fassen, die weit über die deutschsprachigen Länder hinaus ausstrahlte. Noch größere Ausstrahlung entfaltete Schweitzers Tätigkeit als Arzt (der Ortsname Lambarene in Zentralafrika ist markant mit seinem Namen verknüpft, das 1913 dort von ihm gegründete Krankenhaus existiert bis heute) und Friedensaktivist, wofür er 1952 mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde.
In der Musikwelt hat Albert Schweitzer noch auf einem anderen Gebiet Spuren hinterlassen, nämlich in seiner Beschäftigung mit Johann Sebastian Bach. Nicht nur dass er als Interpret von Bach-Werken auftrat, er forschte auch zu dessen Leben und Schaffen und veröffentlichte 1905 auf Französisch und 1908 auf Deutsch eine große Biographie, die in bestimmten Aspekten noch heute als Standardwerk gilt, während andere Erkenntnisse naturgemäß nicht mehr dem heutigen Forschungsstand entsprechen. In der aktuellen Ausgabe 44 des Bach-Magazins beschäftigt sich Markus Zepf eingehend mit Schweitzers musikalischen Aktivitäten und legt natürlich einen Fokus auf die Bach-Bezüge. Dass das Titelbild des Heftes Schweitzer 1906 am damals neuen Spieltisch der Silbermann-Orgel der Nikolaikirche Straßburg zeigt, ist natürlich kein Zufall, auch wenn diese Orgel letztlich ein trauriges Schicksal erlitt. Aber das ist wieder eine andere Geschichte …