Alt und Neu vereint
Als Komponist im 20. Jahrhundert stand man vor der schwierigen Entscheidung, sich einer der „modernen“ Strömungen anzuschließen oder aber zurückzublicken – und einige schafften es auch, diese Welten zu verknüpfen und einen eigenen Weg zu gehen. Der vor 125 Jahren, am 20.9.1900 im württembergischen Alfdorf geborene Wilhelm Weismann kam 1924 auf einer Italienreise mit der dortigen Kunstwelt und an einer ganz speziellen Stelle mit der Vokalmusik in Berührung, die ihn auch für seine eigene Arbeit inspirierte – die kompositorische wie die editorische. Ab 1929 wirkte er für mehrere Jahrzehnte als Lektor im Leipziger Verlag C. F. Peters und koordinierte u.a. die erste Gesamtausgabe der Madrigale von Carlo Gesualdo di Venosa; zugleich förderte er aber auch zeitgenössische Komponisten durch die Herausgabe ihrer Werke und unterrichtete angehende solche an der Leipziger Musikhochschule.
Auch seine eigenen Kompositionen profitierten von seinen Erfahrungen mit Alt und Neu, wobei sein Fokus auf der Vokalmusik lag. Vieles davon ist aktuell live wie in konservierter Form eher selten zu hören – erfreulicherweise widmen sich aber in Leipzig, Weismanns jahrzehntelangem Wirkungsort, ansässige Künstler gelegentlich einzelnen Werken. So haben beispielsweise MDR-Sinfonieorchester und MDR-Rundfunkchor unter Howard Arman auf ihrer CD „Gewaltsam wie der Tod ist die Liebe“, die Vertonungen des Hoheliedes aus dem 20. Jahrhundert vereint, das Konzert für Solosopran, Chor und großes Orchester „Sulamith“ eingespielt, ein großes Spätwerk des 1980 verstorbenen Komponisten, entstanden übrigens aus Anlass des 175. Gründungsjubiläums des Peters-Verlages. Das Calmus-Ensemble hingegen eröffnet seine CD „Made in Leipzig“ mit Weismanns 1954 entstandener und dem Thomanerchor sowie dem Thomaskantor Günther Ramin gewidmeten Vertonung des 23. Psalms „Der Herr ist mein Hirte“.